COVID-19 – quo vadis?

Der Apex scheint in vielen Ländern überwunden: Woche für Woche werden weitere Lockerungen verabschiedet auf dem langsamen Weg zurück zur Normalität. Oder sollte es nicht besser heißen: auf dem schnellen Weg zum „New Normal“? Und wie wird diese neue Normalität überhaupt aussehen?

In den letzten Wochen haben wir mehrere Webinare durchgeführt, bei denen wir mit namhaften Unternehmerpersönlichkeiten im Detail über ihr Krisenmanagement und ihren Ausblick auf die Zeit nach COVID-19 gesprochen haben. In diesen überaus interessanten Gesprächen gingen wir zudem den ersten sich abzeichnenden Trends – etwa einem veränderten Konsumentenverhalten und neuen Geschäftsmodellen – auf den Grund.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus diesen Gesprächen habe ich in den nachfolgenden drei Thesen zusammengefasst. Dabei handelt es sich um eine Momentaufnahme, die einen Einblick in die „neue Normalität“ erlaubt!

1. Reduzieren Sie Ihren stationären Vertriebsanteil!

Die unternehmens-, ja sogar branchenübergreifend erforderlich gewordenen Maßnahmen bezüglich des Arbeitens im Homeoffice haben insbesondere den Vertrieb von einem Tag auf den anderen des Kundenkontakts „vor Ort“ beraubt. Vor allem den Branchen, in denen der stationäre Vertrieb einen sehr hohen Anteil hat (unter anderem der Versicherungs-, der Bau- oder Logistikbranche), hat dies mehr zugesetzt als beispielsweise digitalen B2B-Branchen (z.B. Softwarevertrieb). Abertausende von Vertrieblern, die es gewohnt waren, pro Monat 4.000 Kilometer und mehr zu fahren, mussten sich nun mit null Kilometer und 100 Prozent Homeoffice abfinden. Das ist für diese Belegschaftsgruppe weitaus schwieriger, als viele denken.

20. Mai 2020 - Mit anderen Unternehmenslenkern zu strategischen Themen austauschen?

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Vor dem Hintergrund des „Im Homeoffice geht es ja auch“ ist die Frage, ob ein stationäres Vertriebsteam gleichen Umfangs wie vor der Corona-Krise auch in Zukunft notwendig sein wird, mehr als berechtigt! Die Antwort lautet: Vertriebsorganisationen sollten ausgedünnt und bestimmte Kundengruppen von einem virtuellen Team betreut werden.

Doch wie ist das zu bewerkstelligen?

High-Performance-Vertriebsorganisationen sind sich des Pareto-Prinzips bewusst und richten sich vor allem bei der Festlegung der Teamstärke konsequent daran aus: Es besagt, dass 80 bis 90 Prozent der Umsätze nicht selten von weniger als 20 Prozent der Vertriebler erwirtschaftet bzw. verantwortet werden. Deren Kunden müssen nach wie vor unbedingt persönlich betreut werden. Der Rest der Kunden sollte im Hinblick auf sein Entwicklungspotenzial überprüft werden, wobei sich herausstellen wird, dass ein großer Teil nicht zwingend persönlich betreut werden muss. Die Vertriebler, die diese Kunden bisher betreut haben, können ihr Talent und ihre Fähigkeiten nun in anderen Bereichen des Unternehmens einbringen. Wenn Sie die Teamstärke Ihres Vertriebsteams reduzieren, hat dies den Vorteil, dass Sie die Kosten des Vertriebs senken.

Durch den Aufbau eines „virtuellen“ Teams können in zukünftigen vergleichbaren Krisen schneller andere Kunden virtuell betreut werden, da Ihre Mitarbeiter dann diesbezüglich bereits über ausreichende Erfahrungen verfügen. Wenn Sie genauer erfahren möchten, wie Sie im Hinblick auf die Vertriebskosten Ihrer Organisation signifikante Einsparungen realisieren können, ohne an Kundenumsatz einzubüßen, fordern Sie noch heute mein Whitepaper „SEALS SALES“ hier an.

2. Digitalisierungsoffensive: Investieren Sie erst recht dann, wenn alle Angst haben!

Hochleistungsorganisationen und solche, die es werden wollen, nutzen die Krise, um überfällige Digitalisierungsoffensiven mutig und entschlossen voranzutreiben. Vor allem jetzt!

Viele Firmen brüsten sich damit, zu wissen, was ein Kunde will, und ihm genau das zu geben. Doch das ist heutzutage längst nicht mehr ausreichend: Vielmehr geht es darum, verdeckte Bedürfnisse zu antizipieren oder als Unternehmen komplett neu zu schaffen! Denken Sie beispielsweise an das iPhone oder an den E-Scooter. Voraussetzung dafür ist, dass Sie sich all Ihrer „Customer Touchpoints“ bewusst werden und in die Produktentwicklung einfließen lassen. Dass diese Touchpoints sich längst nicht mehr auf den persönlichen Kontakt beschränken, ist vollkommen klar: Denken Sie nur einmal an Ihre Werbung, Ihre Website, Ihre Social-Media-Aktivitäten etc. Porsche schätzt die Zahl seiner Customer Touchpoints auf mehr als 350 (!). Die alte Leier „Wir müssen uns jetzt auf das Überleben fokussieren“ ist meist extrem kundenfeindlich, weil sie sich ausschließlich auf die Binnensicht beschränkt.

Warren Buffett hat im Hinblick auf den besten Zeitpunkt zum Aktienkauf bereits vor Jahrzehnten dazu geraten, dann zu kaufen, wenn alle Angst haben. Unternehmen sollten also genau jetzt investieren! Entscheidend für den zukünftigen Erfolg ist nämlich, wie rasch sie sich erholen und somit ihren Konkurrenten schneller Marktanteile abjagen können. Der Frage, wie hoch die Eigenkapitalquote der Unternehmen ist, kommt dabei eine lediglich sekundäre Bedeutung zu. Erfolgreiche Unternehmen der Zukunft schieben Digitalisierungsprojekte nicht länger auf, sondern nutzen die günstigen Konditionen der Unternehmensfinanzierung, die in ihrer derzeitigen Attraktivität geradezu einmalig sind.

Bedenken Sie zudem, dass vergangene Initiativen, wie etwa Kulturwandel-Projekte, massiven Nachholbedarf haben, nachdem nahezu 100 Prozent der Belegschaft monatelang im Homeoffice ausgeharrt und sich dabei neue Angewohnheiten angeeignet haben!

3. Hören Sie auf, rein zahlenmäßig Marktführer werden zu wollen – streben Sie vielmehr die Mehrwertführerschaft an!

Würde der gesamte Vorstand Ihres Unternehmens einen Interkontinentalflug in ein und demselben Flugzeug antreten, um zu einem wichtigen Termin zu reisen? Nein, mit Sicherheit würde das nicht geschehen! Warum aber konzentriert sich ein Großteil der Produktion auf eine „Werkbank“, beispielsweise China? Eine Unzahl von Projekten, die der Kostenoptimierung dienen sollten, hatte in den letzten Jahrzehnten zur Folge, dass große – sich während der Corona-Krise bisweilen als kritisch erweisende – Teile der Produktion oder sogar die gesamte Produktion von einem einzigen Lieferanten realisiert werden oder sich in einer Region konzentrieren – wie etwa China. Wir sehen nun, dass verschiedene Länder unterschiedlich stark von COVID-19 betroffen sind, sodass sie auch unterschiedlich stark wieder hochfahren. Hätte ein Unternehmen in einem Erste-Welt-Land wie Deutschland produziert und in einem Schwellenland wie China, hätte die Produktion durch die verschiedene Taktung der Krise beinahe nahtlos fortgesetzt bzw. leere Lager vermieden werden können.

Die Geschäftsmodelle der Zukunft müssen daher auch Gesichtspunkte der Ethik und der Nachhaltigkeit mit berücksichtigen. Das System der reinen Profit-, Umsatz- und Marktanteilsmaximierung hat ausgedient. Eine Möglichkeit bestünde darin, ein bis zwei Prozent des Unternehmensumsatzes in eine erhöhte Resilienz zu investieren, beispielsweise in eine Zwei-Lieferanten-Strategie, die sich ganz bewusst auf verschiedene Wirtschaftsräume fokussiert oder darauf, diese sogar selbst zu übernehmen. Schlussendlich müssen Sie als Unternehmenslenker diesen Bewusstseinswandel einläuten und Erfolg neu definieren, sodass sich alle Bereiche Ihres Unternehmens damit identifizieren und ihr Verhalten danach ausrichten.

Ich freue mich auf Ihren Kommentar!

Ihr Alexander Nowroth

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